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Mineralguss – Zur Geschichte eines Hightech-Werkstoffs

13.08.2019
Maschinenbetten und Gestellbauteile

Ob als solide Basis für Maschinenkomponenten oder als schwingungsdämpfendes Maschinengestell: Mineralguss ist heute aus dem Maschinenbau nicht mehr wegzudenken.

Dank seiner hervorragenden thermischen Stabilität und dämpfenden Eigenschaften besitzt der leistungsstarke Werkstoff einen hohen Grad an Funktionsintegration und Genauigkeit, der ihn für die Konstruktion von Maschinen unverzichtbar macht. Aber seit wann gibt es den Hightech-Werkstoff eigentlich und wo kommt er her?

Not macht erfinderisch – Alternative zu Grauguss und Co.

In der Industrialisierung etablieren sich in Europa ab Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend Eisen- und Stahlgusswerkstoffe als klassische Konstruktionswerkstoffe, vor allem im Maschinenbau. Als dann der Erste Weltkrieg ausbricht, stehen Maschinenbauer und Konstrukteure vor einem Problem: Der Krieg verschlingt Unmengen an Metall, was den gängigen Werkstoff zum raren Gut macht, als Folge der Verknappung von Metallen müssen neue Lösungen her.

Im Jahr 1917 schlägt der Berliner Maschinenbauer und Betriebswissenschaftler Georg Schlesinger vor, für die Konstruktion von Maschinengestellen und Führungsbahnen Gusseisen durch Zementbeton zu ersetzen. Die innovative Idee setzt sich jedoch nicht durch, da die „Betonführungen“ einen zu hohen Verschleiß haben.

Im Zweiten Weltkrieg wird Zementbeton als Ersatz für Eisengusswerkstoffe in Maschinen verwendet. So wird 1944 die erste Drehmaschine mit einem Untergestell aus Zementbeton gefertigt. Bis heute werden in ähnlichen Maschinenkonzepten verschiedener Maschinenbauunternehmen Zementbetonunterteile und Graugussoberteile mit breiten hydrodynamischen Gleitführungen zu kompletten Maschinengestellen mit verbesserter Systemdämpfung verbunden. Der Zementbeton hat hier keinen Einfluss auf die Genauigkeit der Maschinen, da er lediglich eine tragende Funktion übernimmt.

Innovation mit Durchsetzungsvermögen

Seit Mitte der 1970er Jahre ermöglichen kalthärtende Reaktionsharze die Herstellung eines polymergebundenen Mineralgusses für hochpräzise Maschinengestelle. Den Nachweis, dass sich Polymerbeton (Mineralguss) für Maschinengestelle eignet, erbrachten Ende der 1970er Jahre praxisorientiere Arbeiten der Firmen Studer (Schweiz) und EPUCRET (seit 2014 RAMPF Machine Systems, Deutschland) sowie wissenschaftliche Grundlagenuntersuchungen des Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen der TU Darmstadt und des Werkzeugmaschinenlabors der RWTH Aachen. Dank intensiver Untersuchungen über mögliche Reaktionsharze für die Herstellung von Mineralguss haben sich Epoxidharze letztendlich durchgesetzt.

Seit den 1990er-Jahren hat sich für den innovativen Gestellwerkstoff global eine leistungsfähige Mineralgussindustrie für den Werkzeugmaschinenbau sowie Anwendungen in der Halbleiter-, Laser-, Medizin- und Verpackungsindustrie u. v. m. etabliert, in der Deutschland sowohl qualitativ als auch quantitativ führend ist.

Indes wird Mineralguss neben den klassischen Anwendungsgebieten in der Industrie in weiteren Bereichen eingesetzt. Welche das sind? Diese Frage beantworten wir in unserem nächsten Blogbeitrag!